26.8.09

Bloß keine Neuerung: Kultusministerum BaWü verbietet Schule nach skandinavischem Vorbild

Seit der PISA-Studie 2006 ist allgemein bekannt, dass das Schulsystem Finnlands zu den besten der Welt gehört. Über die genauen Ursachen streiten sich die Experten.

In einem neuen Karlsruher Stadteil (der Südoststadt) wollten nun ein paar Eltern das "skandinavische Modell" in der Praxis ausprobieren:
"Skandinavisches Schulmodell" nannten die Karlsruher Eltern ihr Konzept: Gemeinsames Lernen bis Klasse 10, keine Unterscheidung nach Haupt-, Realschule oder Gymnasium, selbständiges Lernen, kein Ausschluss von behinderten Schülern und keine allgemeinen Bildungsstandards, sondern individuelle Lehrpläne. Die Schüler sollten nach der neunten oder zehnten Klasse Abschlüsse machen können, wer dann will oder kann, würde in die Oberstufe eines Gymnasiums wechseln.

Der Elternbeirat stellte das Konzept verschiedenen Institutionen, Parteien und Gruppen der Stadt vor - und stieß auf Begeisterung: Es entstand ein Bündnis aus der Lehrergewerkschaft GEW, SPD, Grünen, einzelnen Lehrern und Eltern.
Und wie hat die baden-württembergische Landesregierung darauf reagiert? Sie hat es untersagt:
Anfang dieser Woche teilte Baden-Württembergs Kultusminister Helmut Rau (CDU) mit, die Karlsruher Modellschule werde nicht genehmigt. Der Schulversuch entspreche "nicht den bildungspolitischen Rahmenvorgaben des Landes".
Die vorgeschobene, hyperbürokratische Begründung zeigt, dass die wahren Gründe woanders liegen. Offenbar hat die CDU Angst, durch den Versuch könnte die Überlegenheit des finnischen Modells auch unter deutschen Bedingungen bewiesen werden. Mein Verdacht: Man will die bisherige schulische Selektion, die nach der vierten Klasse kommt (und die in den meisten Fällen gleichzeitig eine soziale Selektion bedeutet), um jeden Preis beibehalten. Im selben Artikel steht auch, dass die Landesregierung krampfhaft an der Hauptschule festhält - mit dem Unterschied, dass diese ab 2010/11 in "Werkrealschule" umgetauft wird (aus Raider wird Twix, sonst ändert sich nix, kann ich da nur sagen). Dabei macht der schwarz-grüne Senat in Hamburg (ebenfalls unter Führung der CDU!) vor, dass es auch ohne Hauptschule geht.

Insgesamt finde ich das Verhalten der Regierung von BaWü erbärmlich. Ich denke aber, dass sich der schulische Fortschritt auf Dauer nicht aufhalten lassen wird.

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23.8.09

Wahltaktik statt Stimme für Piraten?

Heute morgen beim gemeinsamen Frühstück nach einer Hochzeitsfeier gab es eine kurze Diskussion über die Piratenpartei. Dabei kam auch zur Sprache, dass die Stimmen für die Piratenpartei voraussichtlich der SPD und den Grünen fehlen werden. Somit könnte eine Stimme für die Piratenpartei indirekt eine CDU-FDP-Koalition fördern. Sollte man unter diesen Umständen nicht lieber auf eine Stimme für die Piratenpartei verzichten?

In einem Weblogeintrag hat Mela eine gute Antwort auf diese Frage gefunden. Vereinfacht zusamemngefasst: wer hier taktieren will, der geht - bewußt oder unbewußt - von der Annahme aus, Rot-Grün würde es besser machen. Die Praxis sieht anders aus. SPD und Grüne haben von 1998 bis 2005 Einschnitte in Grundrechte vorgenommen (Randbemerkung meinerseits: und Hartz IV eingeführt). Schwarz-Rot hat beides nahtlos fortgesetzt, ja die Mißachtung der Grundrechte sogar massiv verschärft (Stichwort: Stasi 2.0 - wobei ich mich frage, ob wir nicht schon längst bei Version 2.1 oder gar 3.0 sind).

Mela folgert daraus:
Der einzige Weg tatsächlich etwas zu erreichen, ist eine neue Partei im Spiel zu etablieren, die es hoffentlich schafft endlich Transparenz ins marode und korrrumpierte System zu bringen bevor sie selbst korrumpiert wird. Ob es nun durch die Piratenpartei selbst geschieht, oder durch die etablierten Parteien, weil diese (zu Recht) vor ihr Angst haben müssen, ist im Endeffekt gleichgültig.

Wie Mela kann auch ich es nicht mehr verantworten, mein Kreuz bei Parteien zu machen, die die Grundrechte mit Füßen treten. Taktisches Rot- oder Grün-Wählen scheidet für mich somit bei der nächsten Bundestagswahl aus.

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8.6.09

Europawahl 2009: Gewinne für Konservative und Europaskeptiker


Die Europawahl 2009 erbrachte europaweit Gewinne für konservative Parteien und Europaskeptiker, was ich weniger gut finde. In Deutschland gab es Verluste für die CDU, fast analoge Gewinne für die FDP, ein Debakel für die SPD und Zugewinne für die Grünen (die stärker als die FDP wurden) und die Linken. In Darmstadt fiel das Resultat ganz besonders aus: Hier wurden die Grünen stärkste Partei, noch vor der CDU, die SPD landete abgeschlagen auf Platz drei.

Gefreut habe ich mich über die Ergebnisse der Piratenpartei: sie kam auf 0,9% der Stimmen - ein guter Start. Die schwedische Piratenpartei erreichte sogar 7,1 % und entsendet somit einen Abgeordneten ins Europaparlament.

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18.1.09

Hessenwahl 2009 - der "Wahlsieger" Koch

Die Hessenwahl 2009 ist gelaufen. Nach den derzeitigen aktuellen Hochrechnungen (z.B. sichtbar auf SpOn) lief einiges wie erwartet, aber es gab auch ein paar Überraschungen.

Zu erwarten war etwa eine gemeinsame Mehrheit von CDU und FDP. Ebenso fielen die Verluste der SPD erwartungsgemäß aus. Nach dem zerrissenen Bild, das die Partei in den letzten Monaten speziell in Hessen geboten hatte, war das auch kein Wunder. Von der SPD erwarte ich mir seit der "Erfindung" von Hartz IV ohnehin nicht mehr allzu viel. Passend zum Wahlergebnis ist Frau Ypsilanti von ihren Parteiämtern zurückgetreten. Vermutlich wird Thorsten Schäfer-Gümbel ihr nachfolgen - meiner Meinung nach ist das gut so.

Die Linke ist, so wie es jetzt aussieht, wohl wieder drin, mit leichten Gewinnen.

Eine Überraschung jedoch ist das Abschneiden der CDU, für sich betrachtet. Nach den aktuellen Hochrechnungen von ARD und ZDF hat die CDU nur minimale Gewinne eingefahren. Angesichts des desolaten Bildes, das die SPD geboten hat, und angesichts der Tatsache, dass diese Partei den Ministerpräsidenten stellt, wundert das zunächst. Ich selbst interpretiere das als eine Absage an Roland Koch. Offenbar hat er viele Anhänger des bürgerlichen Lagers dazu motiviert, FDP zu wählen (diese hat nämlich Rekordgewinne eingefahren). Insofern ist Koch meiner Meinung nach eigentlich eher ein Wahlverlierer als ein Gewinner.

Dazu fällt mir auf, dass im Fernsehen interviewte CDU-Größen immer wieder betonen, dass die "bürgerliche Mehrheit in Hessen nie so groß gewesen wäre wie jetzt", verschweigen aber dabei, dass diese große Mehrheit vor allem der FDP zu verdanken ist. Das finde ich sehr passend, und typisch für die heutige Politik, in der jeder gerne mit "verbalen Nebelkerzen wirft".

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13.11.08

Unglaublich: BKA-Gesetz angenommen

Gestern wurde das BKA-Gesetz mit den Stimmen von CDU und SPD angenommen; unter anderem stimmte Brigitte Zypries zu. Damit ist -neben vielem anderen - ab dem 1.1.2009 der Informantenschutz für Journalisten Geschichte. Ich bin erschüttert.

Entlarvend finde ich eine Äußerung der SPD, die zeigt, wieviel journalistische Freiheit - die auch von der SPD mit erkämpft wurde - heute noch wert ist:
"Wenn man sich anschaut, wer überall mit Journalistenausweis herumläuft: Dafür kann man nicht die Schranken öffnen." Außerdem schließe das Gesetz "eine bestehende Lücke im Sicherheitssystem".
(gefunden via MM).

In der Süddeutschen ist ein sehr passender Bericht darüber: mit dem BKA-Gesetz hätten Woodward und Bernstein bei der Aufdeckung des Watergate-Skandals wohl ein Problem gehabt. (ebenfalls gefunden via MM).

Ebenfalls ins Bild passt die Hausdurchsuchung bei dem Journalisten Burkhard "Burks" Schröder, bei der sein Arbeitscomputer beschlagnahmt wurde. Der Vorwand ist eine uralte Äußerung von ihm in einem Forum. Man beachte: um einen im Internet befindlichen Artikel zu entfernen, wird ein lokaler PC (der nicht mit dem Webserver, auf dem der Artikel liegt, identisch ist) beschlagnahmt. Da fragt man sich schon, wozu diese Beschlagnahmung wirklich diente.

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25.2.08

Schwarz-Grün in Hamburg?

In den Siebziger Jahren des letzten Jahrhunderts hatte sich in der (alten) Bundesrepublik ein Drei-Parteien-System etabliert, bestehend aus CDU, SPD und FDP. In diesem System spielte die FDP meistens das "Zünglein an der Waage", und entschied, welche der beiden anderen Parteien an die Macht kam. Im Prinzip war das todlangweilig.

Mit Gründung der Grünen (1979) begann sich dieses Schema zu ändern. Die Grünen etablierten sich auf Dauer als vierte Kraft. Anfangs gab es bei ihnen viele Auseinandersetzungen zwischen "Realos" und "Fundis", so dass sie im Prinzip nicht regierungsfähig waren. 1985 etablierte sich dann die erste rot-grüne Koalition in Hessen unter Holger Börner und Joschka Fischer; viele andere in anderen Bundesländern. Joschka Fischer war es auch, der die erste rot-grüne Koalition auf Bundesebene anführte (wobei diese Koalition bei mir gemischte Gefühle hinterlassen hat - Stichwort Hartz IV). In den Neunzigern bildeten sich dann zwei "Koalitionsblöcke" heraus: Rot-Grün auf der einen und Schwarz-Gelb auf der anderen Seite. Solche starren Blöcke sind europaweit unüblich; in den skandinavischen Ländern etwa gibt es sie nicht.

Durch die Wiedervereinigung kam eine fünfte Partei hinzu: die PDS, heute Teil der Linken. Nach einigen Wahlerfolgen dieser Partei - zuletzt auch in westlichen Bundesländern - kam es dazu, dass weder Schwarz-Gelb noch Rot-Grün eine Mehrheit hatten. Dies führte auf Bundesebene zur Notlösung der heutigen Großen Koalition. Mit der Linken möchte keiner koalieren - Ausnahme Berlin und Mecklenburg-Vorpommern.

Nun ist - nach Hessen - auch in Hamburg der Fall aufgetreten, dass weder der eine "klassische" Block noch der andere eine Mehrheit hat. In Hamburg zeichnet sich jedoch eine neue Option ab, die bisher nur in einigen Großstädten ausprobiert wurde: eine Koalition aus CDU und Grünen.

Meine "Herzenskoalition" wäre das bestimmt nicht, aber gesamtpolitisch würde ich es begrüßen. Denn dadurch wären die starren Blöcke endlich ein wenig aufgeweicht, und man müßte nicht immer "groß koalieren". Die Differenzen zwischen CDU und Grünen sind an der Elbe wesentlich geringer als anderswo.

Andererseits wäre Rot-Rot-Grün auch drin, aber da ziert sich die SPD derzeit, wobei ich mich frage, warum.

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11.9.07

Unglaublich

Sven hat unglaubliche Zitate von CDU-Generalsekretär Pofalla entdeckt:
Auch christliche Symbole wie das Kruzifix müssen ihren Platz im öffentlichen Raum behalten. ? Christlich-abendländische Werte sind Grundlage unserer Leitkultur. ? Nicht jedes Lebens- oder Gesellschaftsmodell verdient es, im Zeichen der Pluralität gleichermaßen gefördert zu werden.
Vielleicht sollte man Herrn Pofalla einmal mitteilen, dass zu den abendländischen Werten inzwischen auch Toleranz gegenüber anderen (nicht-totalitären) Religionen gehört?

Ähnlich widerwärtige Formulierungen finden sich im sog. "Strategiepapier Söder", wobei ich mir nicht sicher bin, was der Rest der CDU darüber denkt.

Wie Sven frage auch ich mich ob gewisse Kreise in der CDU nicht schon auf dem Weg zu einem Gottesstaat nach iranischem Vorbild ist. Ich hoffe, dass sich diese Seuche, dieser "Morbus Ayatollah" nicht weiter ausbreitet.

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