9.11.09

Der Fall der Mauer

Berlin, 9.11.1989, 18:57: Am Ende einer Pressekonferenz verkündet Politbüromitglied Günter Schabowski ein neues DDR-Reisegesetz. Das Gesetz ist auf zwei Zetteln niedergeschrieben, der zweite enthält nur den Beginn der Gültigkeit: 10. November 1989. Doch dann unterläuft Günter Schabowski beim Beantworten der Frage eines Journalisten ein Mißgeschick: er sucht den zweiten Zettel, findet ihn nicht, und verkündet:



Dieses eine Wort "unverzüglich" setzt eine Kette von Ereignissen in Gang. "Heute" meldet die Sensation um 19:16, auch in der DDR spricht es sich herum. Die ersten DDR-Bürger machten sich in Richtung Grenze auf, etwa zum Grenzübergang Bornholmer Straße. Um 22:30 verkündet es Hajo Friedrichs in den "tagesthemen" und benutzt dabei das erste Mal das Wort "historisch":



Das Ergebnis ist bekannt: Zehntausende DDR-Bürger reisen nach West-Berlin, ein unglaublicher Freudentaumel. Es begann am Übergang Bornholmer Straße, wo kurz vor Mittternacht ein Grenzbeamter "flutete", sprich: alle ohne Kontrolle durchließ.



Die Deutschen werden für eine Nacht zum glücklichsten Volk der Welt. Hier eine Zusammenfassung der "tagesschau" vom 10. November:



Heute, zwanzig Jahre später, kommt mir das alles geradezu kafkaesk vor. Ich hätte niemals für möglich gehalten, dass die Berliner Mauer auf diese Art und Weise fällt. Aber gerade dadurch gehörte diese Nacht den "normalen" Menschen, und nicht den Politikern (diese waren vom Gang der Ereignisse selbst überrascht).

Meinen ersten Kontakt mit der innerdeutschen Grenze hatte ich im Januar 1984 in der Nähe von Coburg. Dort gab es ein kleines Dorf, das an drei Seiten von Betonmauern umgeben war, die der Berliner Mauer nicht unähnlich waren. Ich fand diese Mauern ekelhaft und absolut widerwärtig. Seitdem hatte und habe ich eine starke Abneigung gegen befestigte Staatsgrenzen und Grenzkontrollen (einer der Gründe, warum ich ein großer Fan des Schengener Abkommens bin).

Heute sehe ich so manches nicht mehr so euphorisch wie damals, aber dennoch bin ich froh, dass Deutschland wiedervereinigt wurde. Ich verdanke der Wiedervereinigung einiges, etwa neue Freunde aus den neuen Bundesländern und neue kulturelle Möglichkeiten. Ohne die Wiedervereinigung gäbe es kein Rammstein, kein Subway to Sally, kein Corvus Corax, ohne die Wiedervereinigung hätte nie ein WGT stattgefunden. Außerdem wären mir einige leckere Dinge wie Halloren Kugeln, Köstritzer Bier oder echte Thüringer Wurst nie untergekommen. Ich weiss, dass es wirtschaftlich nicht einfach war. Und auch ich weiss, dass es ohne das Gegenmodell des Sozialismus zu immer mehr Härten für Arbeitnehmer gekommen ist, und dass der Sozialstaat immer mehr runtergefahren wurde. Aber meiner Ansicht nach wäre das im Rahmen der Globalisierung auch ohne die Wiedervereinigung passiert; der Sozialabbau etwa begann bereits in den Achtzigern, als es die DDR noch gab.

Insgesamt bin ich also froh, dass es so gekommen ist, wie es ist.

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