23.7.06

Bad Nauheim und Privatisierung

Gestern war ich im Rahmen eines Verwandtenbesuches u.a. in Bad Nauheim. Dabei besichtigen wir den Sprudelhof, der 1905 im Jugendstil erbaut wurde; dabei wirkten auch einige Künstler mit, die ich von der Mathildenhöhe her kannte. Wir hatten eine sachkundige Fremdenführerin, daher bekamen wir viele Informationen.

An einer Stelle der Führung fiel mir ein Blogeintrag von Sven ein, der u.a. den Rückzug des Staates in vielen Bereichen thematisiert. Oftmals wird ehemaliges staatliches Engagement durch private Initiativen (z.B. Vereine) thematisiert? Was hat das mit Bad Nauheim zu tun? In Bad Nauheim wurde das ehemals staatliche Kurbad privatisiert. Als Bad im eigentlichen Sinne ist im wesentlichen Bad 3 in Betrieb. In Bad 2 z.B. ist eine wunderschöne Kleinkunstbühne untergebracht - wäre theoretisch eine wunderbare Auftrittsmöglichkeit für gute Freunde von mir (Blick geht kurz gen Würzburg und Geslau). Die Fremdenführungen werden von einem privaten Verein veranstaltet, der sich die Pflege und den Erhalt des Jugendstilbads zum Ziel gesetzt hat.

Ein Rückblick: in den Achtziger Jahren wurde festgestellt, dass in Deutschland sehr vieles staatlich geregelt ist, und die staatliche Verwaltung nicht immer effizient arbeitet. Seitdem wurde begonnen, vieles zu privatisieren. Begonnen wurde bei Post und Bahn, aber es setzte sich in vielen anderen Bereichen fort. Inzwischen habe ich - und nicht nur ich, nebenbei bemerkt - den Eindruck, dass teilweise ein regelrechter Privatisierungswahn herrscht. Teilweise erfolgt die Privatisierung nicht aufgrund sachlicher Überlegungen, sondern aus ideologischen Gründen.

Ich bin weder für noch gegen eine Privatisierung staatlicher Bereiche. In einigen Bereichen hatte die Privatisierung mehr Vor- als Nachteile, etwa im Bereich Telefon und Post. Bei der Bahn sehe ich die Privatisierung gemischt: Das Schienennetz selber ist wichtiger Teil des Verkehrsnetzes und sollte daher meiner Ansicht nach nicht privatisiert werden; der Rest der Bahn dagegen kann ruhig in private Hände übergeben werden. Bei Privatisierungen ist immer im Einzelfall zu prüfen, ob es Sinn macht. Das Privatisieren eines Monopolbetriebs etwa läuft auf eine "Lizenz zum Gelddrucken" (Helmut Klett von der lokalen Wählervereinigung UWIGA) hinaus. Bei sensiblen Bereichen - etwa der Wasserversorgung - ist eine Privatisierung nicht angebracht. Ausserdem sollte man prüfen, ob es neben der Privatisierung auch andere Möglichkeiten gibt. Z.B. die Übergabe an einen Verein oder an eine Körperschaft öffentlichen Rechts.

Auf jeden Fall bin ich sowohl gegen das ideologische "Alles muss profitabel werden, also lasst uns alles privatisieren" (das funktioniert nämlich in vielen Bereichen nicht) als auch gegen das "auf keinen Fall privatisieren" (was letzten Endes genauso ideologisch ist). Aber leider können in der heutigen Zeit nur wenige Menschen differenzieren. Viele neigen dazu, ein sog. "Patentrezept" überall anwenden zu wollen, egal ob es passt oder nicht.

1 Kommentare:

Blogger Dr. Dean meinte...

Ich teile den Eindruck, dass Ideologisierung und mitunter ein richtiggehender Privatisierungswahn da sind.

Ein wichtiges Kriterium für eine Privatisierung ist, meiner Meinung nach, ob der privatisierte Bereich hinterher in einem echten Wettbewerb steht, oder ein Monopol darstellt. Vielleicht liege ich falsch, aber mit Monopolen in privater Hand wird man m.E. eher schlechte Erfahrungen sammeln, deshalb, weil sie zusätzlich zu den Nachteilen öffentlicher Monopole auch noch ein zusätzliches, vorher nicht vorhandenen Profitmaximierungsstreben beinhalten, oft zu Lasten der Bürger oder der Allgmeinheit.

Ich glaube, dass privates Profitstreben keine üble Sache ist, wenn dies durch einen lebendigen Wettbewerb und Konsumentenschutz beschränkt wird, aber es wird übel z.B. im Fall privater Wasser- oder Entsorgungsmonopole.

Außerdem ist mein Eindruck, dass unsere kommunalen Politiker oft überfordert sind, oder sogar korrupt, und deshalb pauschal auf Privatisierungen setzen, weil dies der für sie bequemste Weg darstellt.

11:33 PM  

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