8.6.06

Stadtsparkasse Herdecke: Abmahnung als Mobbing?

In mehreren Weblogs (u.a. Lawblog, Sven und Jens) ist derzeit die Stadtsparkasse Herdecke Thema. Der Grund: eine 59jährige Mitarbeiterin, die seit 36 Jahren ohne Tadel dort beschäftigt ist, hat eine Abmahnung erhalten. Beim Saeubrenner stand:
Das Schreiben informierte die Inhaber von Privatgirokonten über Leistungs- und Preisveränderungen ab dem 1. April 2006. Darin heißt es: "Die vielfältigen Leistungen diese Kontos . . ." anstatt "dieses Kontos".
Der harmlose Schreibfehler, das fehlende "s", wurde von einem Kunden bemerkt und muss diesen so aufgeregt haben, dass er zum Telefonhörer griff, um sich über den "grammatikalischen Stil" der E-Mail zu beschweren. Der Sparkassenvorstand reagierte daraufhin prompt - und wenig gelassen.Unter dem Datum 5. April erteilte er Marianne S., die das Schreiben gegenzulesen hatte und den Fehler übersah, eine "Abmahnung". Darin heißt es vorwurfsvoll: "Der Imageschaden, der der Sparkasse durch solch einen Mangel im Kundenverkehr entstanden ist, lässt sich schwer beheben."
[...]Und weiter: "Wir fordern Sie daher auf, künftig größere Sorgfalt walten zu lassen. Mit Nachdruck weisen wir Sie darauf hin, dass wir den dargestellten Sachverhalt nicht dulden, sondern ausdrücklich missbilligen. Für den Fall, dass künftig ein ähnlicher Vorfall bekannt wird, weisen wir darauf hin, dass der Bestand Ihres Arbeitsverhältnisses gefährdet ist."

Eine Abmahnung nach 36 Jahren wegen eines läppischen Schreibfehlers - das ist kaum zu glauben. Auch wenn ein Kunde - und sei es ein sehr wichtiger - wütend zum Telefon griff, so müßte dem Sparkassenvorstand doch klar sein, dass eine Abmahnung nur bei vorsätzlichem Fehlverhalten möglich ist, wovon hier keine Rede sein kann. Wie Jens vermute ich daher, dass mehr dahinter steckt: vermutlich will man die Mitarbeiterin loswerden. Zum einen könnte geplant sein, die Stelle zu streichen, zum anderen könnte es sein, dass die Chefs lieber eine junge, blonde Sekretärin mit großer Oberweite haben wollen. Da man die langjährige Mitarbeiterin aber kaum auf normalem Wege kündigen kann, versucht man es auf dem Weg durch Mobbing (genauer gesagt: Bossing (Mobbing durch Vorgesetzte). Daher finde ich die von Sven gebrauchte Bezeichnung "besonders schäbiges Verhalten" durchaus angemessen.

Dem Fazit der bei Saeubrenner u.a. zitierten Westfalenpost schließe ich mich ebenfalls an:
[…] Zum Prozess am 12. Juni um 10.45 Uhr vor dem Hagener Arbeitsgericht, haben sich schon zahlreiche TV-Sender und Journalisten aus dem ganzen Bundesgebiet angesagt. Der Imageschaden, der der Stadtsparkasse Herdecke durch das maßlos überzogene Verhalten ihres Vorstands und der öffentlichen Diskussion darüber vor Gericht entstehen könnte, wäre dann wirklich schwer zu beheben.

Sicherlich wird diese Geschichte zu einigen Kündigungen von Kundenkonten führen. Hoffentlich bekommen die Vorstände, die diese Abmahnung verbrochen haben, dann von der Stadt Herdecke (als Eigentümerin der Stadtsparkasse) eins auf den Deckel.

Nachtrag: Laut einem Kommentar in Svens Weblog, der vom Autor der Originalmeldung der "Westfalenpost" stammt, scheint es sich hier nicht um Mobbing zu handeln. Eine andere Person, die mit der Email befaßt war, wurde ebenfalsl abgemahnt, hat es aber offenbar geschluckt (was ich persönlich für keine gute Idee halte - aber das nur am Rande bemerkt). Die beiden Vorstände der Stadtsparkasse haben inzwischen die Abmahnung aus der Personalakte entfernt, steht im o.g. Kommentar weiterhin.

Wie der Kommentator bin auch ich gespannt, ob es nun Konsequenzen für die Vorstände gibt. Denn diese Abmahnung war meiner Ansicht nach eine massive Überreaktion und hat das Ansehen der Stadtsparkasse massiv geschädigt.