8.11.05

Mißverstandene Theorien

Vor ein paar Tagen habe ich in einem Weblogeintrag bei Missy Deluxe einen tollen Kommentar gefunden:
wir brauchen halt mal wieder einen ordentlichen weltkrieg oder so, auf jeden fall scheint es mit der natürlichen auslese a la darwin ja im momment nicht so hinzuhauen?

Ich kennen diesen "dr don k", der den Kommentar abgelassen hat, nicht, und habe, soviel ich weiss, auch nichts vorher von ihm gelesen. Aber auf jeden Fall scheint er zu den Sozialdarwinisten zu gehören, die es immer noch nicht begriffen haben, dass ihre Weltanschauung längst in die Tonne gehört:
Heute gilt der Sozialdarwinismus als diskreditiert. In der Biologie selbst hat sich die Einsicht durchgesetzt, dass evolutionäre Vorgänge nicht von einer Höherentwicklung begleitet werden, ja dass eine objektive Einteilung der Lebensformen in höhere und niedrigere Gruppen unmöglich ist. Genetische Untersuchungen haben die Existenz eines biologisch begründbaren menschlichen Rassenbegriffs, auf dem Rassentheorien und die nationalsozialistische Ideologie vom "Herrenmenschen" beruhten, ad absurdum geführt. Zudem muss der Begriff "survival of the fittest" als irreführend gelten, da nicht Überleben an sich, sondern die Zeugung möglichst vieler überlebens- und fortpflanzungsfähiger Nachkommen Grundlage biologischen Erfolges ist. Dazu zeigt sich, dass sowohl die von Sozialdarwinisten abgelehnte genetische Vielfalt als auch die Existenz altruistischer Verhaltensweisen in der Natur weitverbreitet sind und sich meist positiv auf die evolutionäre Fitness einer Art auswirken.

Schließlich gilt schon die unreflektierte Übernahme einer an der Tier- und Pflanzenwelt orientierten Theorie zur Beschreibung menschlicher Beziehungen als ungerechtfertigt. Von philosophischer Seite aus hat sich darüberhinaus grundsätzlicher Widerstand gegen die Gleichsetzung eines biologischen Ist-Zustandes mit einem moralischem Soll-Zustand erhoben. Der im Rahmen des Biologismus manchmal noch anzutreffende Versuch, aus der Natur Werte für die menschliche Gesellschaft abzuleiten, gilt heute als naturalistischer Fehlschluss ("naturalistic fallacy").

Sozialdarwinistisches Gedankengut wird daher heute mehrheitlich als amoralisch und antisozial angesehen, weil von allen moralischen Kategorien bei der Beurteilung einer Handlung abgesehen und eine Verbesserung sozialer Verhältnisse durch Eingriffe von außen abgelehnt wird.

Mit anderen Worten: Sozialdarwinisten haben Darwins Evolutionstheorie in entscheidenden Punkten nicht richtig verstanden und verfallen darüber hinaus einem Fehlschluss, eben der o.g. "naturalistic fallacy". Die 1:1 Übernahme von ethischen Werten direkt aus der Natur in die menschliche Gesellschaft ist nicht sinnvoll.