31.1.05

Ephraim Kishon gestorben

Gestern starb der israelische Satiriker Ephraim Kishon in seiner Wahlheimat Appenzell. Er wurd 80 Jahre alt.

Kishon kam als Ferenc Hoffmann in Ungarn zur Welt. Er überlebte den Holocaust (wobei er mehrere Male knapp dem Tode entrann) und änderte seinen Namen in "Kishont Ferenc". Als er 1949 nach Palästina einwanderte, machte ein übereifriger Einwanderungsbeamter aus dem "Kishont" Kishon und aus "Ferenc" Ephraim. So kam Kishon zu seinem heutigen Namen. Seine 50 Bücher befassen sich meistens satirisch mit dem israelischen Alltag. Von 43 Millionen Weltauflage wurden alleine 32 Millionen in Deutschland verkauft In seinen Werken zeichnet Kishon ein Bild des modernen Israels, das in vielen Punkten ein normaler Industriestaat ist.

Ephraim Kishon hat mein Verhältnis zu Israel und zur jüdischen Kultur allgemein bis heute geprägt. Ich las die meisten seiner Satiren in den Siebziger und Achtziger Jahren des vorherigen Jahrhunderts. Etliche seiner satirischen Bemerkungen treffen auch auf das moderne Deutschland zu, insbesondere dann, wenn es um moderne Bürokratie geht.

Um Bürokratie geht es auch in "Der Blaumilchkanal", einem seiner besten Werke. Der geisteskranke Kasimir Blaumilch versucht immer wieder, Gänge zum Meer zu graben, und wird daher in einer Heilanstalt eingesperrt. Eines Tages entkommt er, schnappt sich einen Preßlufthammer und vier rote, rostige Öltonnen, sperrt mit letzteren die zentrale Straßenkreuzung Tel Avivs ab und beginnt, mit dem Preßlutthammer diese aufzureißen. Danach setzt er sein Werk fort entlang der Allenby Road (eine der Hauptverkehrsadern von Tel Aviv, die in Richtung Mittelmeer verläuft). Die Politiker suchen zunächst verzweifelt nach den Bauplänen für die Allenby Road, finden insgesamt drei verschiedene (!) und schieben sich gegenseitig die Schuld zu, anstatt Kasimir Blaumilch von seinem Tun abzuhalten. Nach einigen Tagen erreicht Blaumilch das Meer, und das Wasser ergießt sich in Rinne, die einstmals die Allenby Road war. Der Bürgermeister von Tel Aviv nutzt dies, um feierlich den "Blaumilch-Kanal" einzuweihen und Tel Aviv als "das Venedig des Nahen Ostens" zu preisen. Ich habe mich beim Durchlesen ein paarmal gefragt, was hier schlimmer ist: der individuelle Wahnsinn des Herrn Blaumilch oder der strukturelle Wahnsinn der Bürokratie. ich tippe auf letzteres. Außerdem könnte sich "Der Blaumilchkanal" so ähnlich genauso gut in Deutschland abspielen.