19.8.04

Eron - schwerstens sittlich jugendgefährdend

Heute habe ich im Perry-Rhodan-Report aus Heft 2244 ("Bürgergarde Terrania") einen wahren Schatz gefunden. Es geht dabei um den Artikel "Für ein paar Groschen..." von Achim Schnurrer, der sich mit der Leihroman-Szene der Fünfziger und Sechziger Jahre des vorherigen Jahrhunderts beschäftigt, genauer gesagt: mit Indizierungen in derselben durch die damalige BPjS (und heutige BPjM). Eine (aus heutiger Sicht) besonders skurrile Indizierung will ich hier herausgreifen.

1953 erschien im Berliner Commedia-Verlag der SF-Roman "Eron", verfaßt von Robert O. Steiner (alias Hans Robert Queiser). "Eron" handelt von einem gleichnamigen Impfstoff. Dieser bewirkt, dass Aggressionen in gesteigerte Sexualität umgesetzt werden. Wer immer Eron verabreicht bekommt, gibt sich verstärkt erotischen Freuden hin, anstatt gewalttätig zu werden - sozusagen "make love not war" (und das 15 Jahre vor der Hippiebewegung. "Eron" war in gewisser Weise seiner Zeit voraus). Nebenbei bemerkt: "Eron" bestand nur aus Text, enthielt also keinerlei Illustrationen.

1957 erschien der Roman nochmals, in gekürzter Ausgabe, beim Lehning-Verlag, Hannover. Diese Ausgabe erregte den Unwillen der BPjS, und zwar so massiv, dass der Roman im Eilverfahren indiziert wurde, da die BPjS ihn als "schwerstens sittlich jugendgefährdend" ansah. Hier ein Auszug aus der Begründung:
Die vorkommenden weiblichen Personen werden unter Betonung ihrer körperlichen Reize sexuell attraktiv dargestellt. Die Hauptfigur, die reiche Carven, tritt mit ihren Freundinnen wiederholt völlig nackt auf, sie hat einen sinnlichen Mund und feste Brüste. Sie genießt ihre nackte Schönheit in einem raffinierten, schwarz gekachelten Badezimmer, in dem alle Wände aus Spiegelglas bestehen, so dass sie ihre allseitigen Spiegelbilder betrachten kann.

Die BPjS kommt zum Schluß:
Diese Inhaltsangaben dürften genügen, um darzutun, dass dieses einer abartigen Fantasie entstammende Machwerk schwerstens sittlich jugendgefährdend ist

Recht hat die BPjS! Dieser Roman verführt arglose Jugendliche dazu, sich nackt in ein schwarzgekacheltes Badezimmer mit Spiegelwänden zu stellen und das eigene Spiegelbild zu bewundern. Wie abartig! Welch Ausgeburt an Unmoral! Gut, dass uns die heroische BPjS vor diesem grauenhaften Schmutz bewahrt hat. (Ein Jahr später wurde übrigens die Hardcover-Ausgabe von "Eron" ebenfalls auf den Index gesetzt)

Nebenbei bemerkt: der erste Satz der Indizierungsbegründung "Die vorkommenden weiblichen Personen werden unter Betonung ihrer körperlichen Reize sexuell attraktiv dargestellt" trifft auf so ziemlich jeden James-Bond-Film zu, sowie auf zahllose andere Agentenfilme und -romane. Vermutlich entstammen diese ganzen Romane und Filme auch einer "abartigen Fantasie" und gehören indiziert...