21.9.06

Sonderthema "Christlicher Fundamentalismus" auf arte

Gestern - äh: vorgestern :-) - abend hatte arte das Sonderthema "Christlicher Fundamentalismus". Ich habe drei der Beiträge gesehen.

Der erste befaßte sich mit dem Kreationismus, der erschreckenderweise auch in Europa auf dem Vormarsch ist. Es wurde ein Beispiel einer christlichen Privatschule in Gießen gezeigt, die - obwohl staatlich zugelassen - im Biologieunterricht den als "Intelligent Design" wissenschaftlich verbrämten Kreationismus lehrt. Das schlimmste daran ist: die Schulaufsicht des Landes Hessen weiß es, und unternimmt nichts dagegen.

Das Ziel vieler Kreationisten verrät (eher unfreiwillig) eine Präsentation des in den USA beheimateten "Discovery Institute", das - mit enormen Geldmitteln ausgestattet - versucht, dem Kreationsmus einen wissenschaftlichen Anstrich zu geben, so arte weiter:
Doch ein erschreckendes Detail ist den Wenigsten bekannt: Hinter der Medienaufmerksamkeit um den Disput "Gott gegen Darwin" steckt ein Plan. Dies verrät ein geheimes Strategiepapier des Discovery Institutes. Nach diesem Papier plane man die "materialistische" Wissenschaft durch eine "christliche" zu ersetzen. Man hat also nicht nur harmlose Wissenschaftskritik im Sinn, sondern plant die gezielte Vermischung von Glaube und Wissenschaft - ein Rückschritt ins Mittelalter. Damals legte die katholische Kirche fest, was gelehrt werden durfte. Das ist christlicher Fundamentalismus. Die heutige katholische Kirche hat ihre Position dazu längst gefunden: für sie sind Evolution und Glaube sehr wohl miteinander vereinbar.
Daher halte ich Kreationismus für gefährlich, denn eine solche Vermischung würde letzten Endes an den Grundlagen der mordernen, pluralistischen Demokratie rütteln.

Der zweite Beitrag "Hexenkind" war noch erschreckender: es ging um teilweise brutale Exorzismen, mit denen Kindern (!) "der Teufel ausgetrieben" werden soll.
Ein neue Art von Verbrechen an Kindern hat Europa erreicht: Teufelsaustreibung im Namen Jesu Christi. In England wurden mehrere Fälle schwerer Misshandlung bekannt, zuletzt starb ein Kind nach einer wochenlangen Tortur. Die Opfer gehören zur afrikanischen Gemeinde in England, die Täter sind Verwandte, oft die eigenen Eltern, begleitet vom allerhöchsten Segen evangelikaler freier Kirchen. Die britische Polizei hegt den Verdacht, dass die Kinder in den Kongo verschleppt werden, um dort exorziert zu werden.

Ich finde es unglaublich, dass hier im Namen eines - angeblich alle Menschen liebenden - Gottes brutalste Gewalt ausgeübt wird. Teilweise erhalten die Kinder, die exorziert werden sollen, drei Tage lang weder Nahrung noch Wasser, außerdem wird ihnen mit einer extrem scharfen Chilipaste die Augen ausgerieben!!! Das Motiv dahinter (aus Sicht der Kirchen): Geld. Jeder Exorzismus kostet Gebühren.

Ich bin immer noch entsetzt und sprachlos. Allen religiösen Gruppierungen, die solche Gewalt gegen Kinder ausüben, gehört schleunigst das Handwerk gelegt.

Als drittes kam eine Reportage über die "Jesus Revolution Army", die zeigte, wie Jugendliche gezielt geschult werden, um dann durch Europa zu ziehen, um mit hipper Musik Leute zu missionieren. Trotz der hippen Musik vertritt diese Organisation ein extrem konservatives Weltbild:
Bunte Flugblätter, die vom Leben Jesu erzählen, spannende Websites, Konzerte, Tanz und Gesang dienen als Werkzeuge einer Jugendkultur, die strengstes Bibelverständnis propagiert. Hinter der lockeren Fassade herrscht militärische Disziplin. Die Ausbildung zum Missionar der "Jesus Revolution Army" dauert vier Monate. Täglicher Morgenappell, das Tragen von Uniform, Bibeltraining und Flirtverbot gehören zum Regelwerk.

Warum Jugendliche sich freiwillig dieser Prozedur (incl. Flirtverbot!) unterziehen, ist mir ein Rätsel. Warum sie draußen teilweise gut ankommen, ist dagegen klar: unsere Gesellschaft ist ein spirituelles Ödland geworden, und viele Menschen suchen einen Sinn. Da kommt eine Organisation, die - oberflächlich gesehen - sehr fetzig auftritt, genau richtig.Und unter die Oberflächen schauen heutzutage nur noch wenige.