28.11.05

Kosmische Paranoia oder SETI@home als extraterrestrische Virenschleuder?

Seit einigen Jahren beteilige ich mich aktiv am Projekt SETI@home (Suche nach ausserirdischen Signalen u.a. mit dem Arecibo-Teleskop), weil ich es für eine tolle und unterstützenswerte Sache halte. Täglich rechnet mein PC daheim im Schnitt ein Datenpaket durch und sendet das Ergebnis an den Server. Ich habe bisher darin keine Gefahr gesehen.

Ginge es nach dem amerikanischen Teilchenphysiker Richard Carrigan, so habe ich mir damit eine unglaubliche Gefahr aufgehalst. Carrigan ist der Ansicht, dass ausserirdische Wesen Radiosignale dazu nutzen könnten, gefährliche Software in irdische Computersysteme einzuschleusen. Hinderungsgründe, wie etwa die Tatsache, dass ETs wohl kaum unsere Betriebssysteme kennen könnten, lässt Carrigan nicht gelten:
Allerdings können die Viren bei irdischen Rechnern deswegen eindringen, weil die Autoren die Programme und ihre Sicherheitslöcher kennen. Aliens allerdings wüssten wohl nicht im vorneherein, mit welchen Betriebssystemen irdische Computer ausgestattet sind. Naja, meint Carrigan, das ist zu irdisch und vom technischen Status quo her gedacht. Es sei zumindest theoretisch nicht auszuschließen, dass es Programme geben könnte, die ein Betriebssystem ausspähen und dann Lücken finden könnten, um in es einzudringen. Auch wenn er dafür kein Beispiel gibt, so schlägt er doch vor, wie man eine potenzielle Gefahr minimieren könnte. So sollte man nicht die potenziellen Signale ohne Firewall herunterladen und an Hunderttausende von Computern über das Internet verteilen, sondern sie erst einmal auf einem isolierten Computer zum Überprüfen parken.Es könnte auch schon gut sein, die Signale in Pakete wie bei Seti@home aufzuteilen. Dann könnten sich komplizierte Programme nicht so leicht entpacken.

Das sehe ich anders. Ausserirdische Zivilisationen werden voraussichtlich eine gänzlich andere Art von Computern entwickelt haben, mit Betriebssystem-Konzepten, die für uns völlig fremdartig sind. Ein Programm, das beliebige (!) Betriebssysteme ausspähen und dann in sie eindringen kann, wäre eine Art "Universal-Virus". Aufgrund der Komplexität der Aufgabe ("spähe beliebiges Betriebssystem aus und versuche, es zu infizieren") müßte ein solcher - hypothetischer - Universal-Virus ziemlich gross sein (etliche MB!) - so gross, dass es sich kaum lohnen würde, ihn über interstellare Entfernungen zu verschicken. Abgesehen davon, selbst wenn ein solcher Virus möglich wäre: was hätten die Ausserirdischen davon, wenn sie irgendeinen irdischen Computer infiziert hätten?

Aus meiner Sicht sind Carrigans Gedankengänge pure, wahrhaft "kosmische" Paranoia.

1 Kommentare:

Anonymous Stadl42 meinte...

Naja, vielleicht ist der gute Mann ja auch nur Pleite und will in die Schlagzeilen kommen, was ihm ja zumindest ansatzweise zu gelingen scheint.
Jedefalls halte ich das Ganze für extrem abwegig, Gegenargumente aufzuzählen würde zu mehrbändigen Fassungen führen. Harald Lesch, der Astrophysiker, der mit gesundem Menschenverstand die Zusammenhänge im Universum und den Lauf (nicht die Bedeutung!) der Sterne meisterhaft zu erklären versteht, hat mal gesagt: >Je mehr das Wissen der Menschheit zunimmt, desto mehr sind die Menschen bereit, an abwegige Erklärungen zu glauben.< Der Grund sei, dass die Informationsflut für viele kaum mehr zu bewältigen sei. Ich stimme dem zu, und denke, dass etwas ähnliches dahinter steckt, wenn die Leute Paranoia-Predigern gehör schenken: Die Welt ist so kompliziert geworden, dass der Mensch Schwierigkeiten bekommt, die ihm innewohnenden und angeborenen Ängste für sich selbst zu begründen und einzusortieren. Also glaubt er gerne jemandem, der ihm sagt, wo seine Angst eigentlich herkommt:
Die Außerirdischen machen Angst.
Die Ausländer machen Angst.
Die anders Aussehenden machen Angst.
Die anderes Wollenden machen Angst.
Die andere Bilder Malenden machen Angst.
Naja, usw. usw...
Immer sagt der Angst habende Mensch: >Ja, genau, das ist der Grund.<
Wie früher, als es nur Talglampen gab und ein nächtlicher Wanderer nicht vor Schatten im Gehölz Angst hatte (das wäre ja wenig rühmlich gewesen), sondern vor Hexen und Kobolden und Waldgeistern und weiß der Kuckuck was (sh. Die Bremer Stadtmusikanten).
Das finde ich alles nicht so schlimm, mir geht es ja genau so, aber mal darüber nachzudenken kann nicht schaden, oder?
Gruß, Andi

10:01 PM  

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