26.11.05

Surreale Metaphern

Ich schreibe selbst CD- und Buchkritiken (viele davon sind auf darkweb,de zu finden). Daher lese ich immer gerne die Kritiken, die andere schreiben - ab und zu kann man etwas daraus lernen. Besonders interessant fand ich eine Kritik, die gestern im "Freitags-Echo", einer Beilage des Darmstädter Echos, erschien. Die Kritik steht auf Seite 4 und behandelt das neue Album des russischen Popduos t.A.T.u. In der Kritik steht u.a. der folgende Satz.
Harmonie straht mit Streichersounds und ruhigem Piano plötzlich das Stück "Gomenasai" aus - allein ein ganz gelegentlicher Synthiequietscher, der sich wie durch eine wanderne Bodenspalte aus dem Erdinnern emporquetscht, deutet an, dass es auch unter dieser behäbig scheinenden Ode brodelt. Ein bedrohlicher Vulkan der Gefühle, der heimlich, doch unaufhaltsam sein Potenzial steigert, einen gewaltsteigernden, bedrohlichen Magmakegel auftürmt wie derzeit wieder der Mount St. Helens am Pazifik.

Wie um alles in der Welt ist das zu verstehen? Erst schreibt er etwas von einem ruhigen Stück, und dann plötzlich kommen "Synthiequietscher" aus dem Erdinnern. Wie, bitteschön, klingt ein Synthesizerklang, der aus einer "wandernden Bodenspalte" emporsteigt? Und warum muss die Bodenspalte wandern, ginge auch eine "statische" Bodenspalte? Und einen Satz späer wird das Stück, das anfangs als ruhig beschrieben wird, mit dem ausbrechenden Mount St. Helens verglichen. Was möchte uns der Autor damit sagen? Und was bitte ist ein "gewaltsteigernder Magmakegel"?

Gut, dass unter der Oberfläche des Stücks Gefühle brodeln, das kam rüber ("brodelnde Gefühle", das ist eine alte deutsche Redensart). Aber die verwendeten geologisch-surrealen Metaphern finde ich in diesem Zusammenhang leicht verunglückt bzw. übertrieben.