22.3.05

Kultur - wer erschafft die?

Karan wirft in ihrem Weblog eine gute Frage auf:
Kürzlich sah ich einen Film, in dem es um die wirtschaftliche Situation von freischaffenden Künstlern ging. Das Fazit war ziemlich verheerend.

Kultur stiftet Identität. Wem überlassen wir ("die Gesellschaft") es, unsere Identität zu prägen? Den Fernsehmachern? Den Journalisten? Den Comedy-Helden, die die Hallen der Republik füllen? Der Vermarktungsindustrie von Musik und Film?


Das bringt mich auf die Frage, wer Kultur erschafft. Meine spontane erste Antwort: "Wir alle." Um das zu erläutern, gehe ich einfach mal von der Person aus, die ich am besten kenne bzw. am besten zu kennen glaube: meinereiner :-)

Tatsächlich bin auch ich ein Kulturschaffender. Das beginnt bereits bei diesem Weblog hier. Viele Leute haben bei "Kultur" irgendeine Vorstellung aus der Schule im Kopf, dass "Kultur" etwas ganz elitäres, abgehobenes, niveauvolles sein müsse. Das halte ich für einen Denkfehler. Kultur, das ist sowohl Ravel als auch Rammstein, sowohl Shakespeare als auch K.H. Scheer, sowohl Michelangelo als auch Micky Maus. Das Niveau mag unterschiedlich sein, aber Kultur definiert sich nicht über Niveau.

Das bringt mich weiter zu der Frage: wer oder was prägt die Kultur? In der heutigen Zeit sind das tatsächlich die Massenmedien, wobei ich immer noch das Fernsehen als das Medium Nr. 1 ansetzen würde, in letzter Zeit allerdings ergänzt durch das Internet. Und gerade beim Fernsehen haben immer mehr Medienkonzerne das Sagen, während die Öffentlich-Rechtlichen entweder im Elfenbeinturm sitzen oder den Privaten nacheifern.

Im Fernsehen macht sich (vor allem im musikalischen Bereich) etwas breit, das ich den "Mainstream" nennen möchte. Der Mainstream zeichnet sich vor allem durch eins aus: er ist nicht innovativ. Das aber ist ein Problem, da die breite Masse (die Empfänger (meistens Konsumenten) des Mainstreams) ab und zu etwas Neues möchte. Daher gibt es neben dem Mainstream eine Reihe von Subkulturen und Sub-Szenen, aus denen immer wieder neue Elemente in den Mainstream vordringen und ihn so "befruchten". Hierfür als Beispiel ein paar Bands, die ursprünglich aus der Subkultur der Gothic-Szene stammen und nun im Mainstream gelandet sind: Wolfsheim, Deine Lakaien, L'Ame Immortelle, Within Temptation. Wobei ein solcher "Aufstieg in den Mainstream" sehr kraß ausfallen kann. Beispiel Deine Lakaien: 1991 bestritt die Band Konzerte in kleinen Clubs vor teilweise 20-30 Zuhörern. 1999, also acht Jahre später, landete das Lakaien-Album "Kasmodiah" auf Platz 4 der Media-Control-Charts, und zu den Konzerten kamen teilweise mehrere tausend Besucher. Allerdings hat bei diesem "Aufstieg" die Marketing-Maschine des Sony-Konzerns nicht unerheblich nachgeholfen.

Tatsächlich ist es heutzutage für einen Künstler sehr schwer bis fast unmöglich, ohne Marketing den Mainstream zu erreichen, da man ohne Marketing nicht bei den Musiksendern unterkommt (und an denen führt kein Weg mehr vorbei). Das ist eine Entwicklung, die ich für recht bedenklich halte, da sie nicht unbedingt geeignet ist, musikalische Qualität zu fördern.