15.10.03

Die Abmahn-Seuche

In Telepolis findet sich ein Artikel, der sich kritisch mit der heutigen Abmahnpraxis im Internet befaßt. Der Artikel kommt mir sehr entgegen.

Das derzeit geltende Abmahnrecht sieht im Wettbewerbsfall so aus: wenn Firma A sieht, dass Firma B sich wettbewerbswidrig verhält (etwa durch Benutzung von Warenzeichen, die A gehören), dann kann A an B eine Abmahnung schicken. Die Abmahnung wird im allgemeinen von einem Anwalt abgefaßt, und B muß A die Anwalts- und sonstige Abmahnkosten zahlen.

Diese an sich sinnvolle Rechtskonstruktion wurde in den vergangenen 20 Jahren immer wieder mißbraucht. Das liegt insbesondere daran, dass die Anwaltskosten sich nach der Schadenshöhe richten, die durch B's Verhalten entsteht - dass aber A diese Schadenshöhe fast beliebig festsetzen kann. Bekannt ist z.B. die Firma Symicron, die sich 1995 die Marke "Explorer" eintragen ließ, und als Konsequenz darauf einige Programmierer abmahnte, deren Programme ebenfalls "Explorer" im Namen trugen (z.B. "FTP-Explorer"). In einem Fall wurde sogar ein Homepagebetreiber abgemahnt, weil er auf seiner Homepage den FTP-Explorer verlinkt hatte. Dabei konnte Symicron bis heute keinen Beweis erbringen, dass sie (Symicron) die Marke je im Geschäftsverkehr genutzt hat, sprich: dass sie jemals ein Programm namens "Explorer" an irgendwen verkauft hat. Eine Computerzeitschrift hatte sogar mal einen Preis von DM 10.000 ausgelobt für eine Kopie eines "Symicron Explorers" - niemand meldete sich.

Noch schlimmer waren die Aktivitäten einer Münchner Anwaltskanzlei (Frhr. v. G.), die Ende der Achtziger Jahre als 16jähriges Mädel namens "Tanja Nolte-Berndel" auftrat und per Brief (mit beigelegtem Foto) auf diverse Inserate in Computerzeitschriften antwortet und um Raubkopien bekannter Spiele bat. Bot ihr jemand dann Raubkopien an, so kam eine Abmahnung besagter Anwaltskanzlei hinterher - ebenfalls mit sehr hoch angesetzter Schadenssumme.

Im o.g. Telepolis-Artikel wird ein guter Vorschlag gemacht, der mir auch schon vor Jahren gekommen ist und den ich sehr befürworte. Es ist ganz einfach: bei der ersten Abmahnung muß der Abmahner die Kosten selbst tragen (bei Folgeabmahnungen nicht - wer unbelehrbar ist, soll ruhig bestraft werden). Damit wäre dem Abmahnmißbrauch ein wirksamer Riegel vorgeschoben. Und wer seine Rechte verletzt sieht, kann trotzdem abmahnen.