9.11.04

Der Popdiskurs geht weiter


Die Frage, ob Blogs Popliteratur sind, läßt mich doch nicht los. Bei
Andrea gibt es einen schönen neuen Absatz zum Thema.

Beim Durchlesen kam mir spontan eine Frage. Andrea schreibt:
Nimmt man nun die literaturwissenschaftliche Sicht der Dinge ein und untersucht zunächst vor allem Literaturblogs und literarische Blogs, Goetz' "Abfall für alle" etwa oder eben den Pool, dann bettet man Blogs in die Kontinuität der deutschen Literatur ein und versieht sie mit einem dort verwendeten Ordnungsbegriff. Eben: Popliteratur. Damit hätten die Blogs ihren Platz in der neuesten deutschen Literatur und bildeten eine hübsch klassifizierte Unterkategorie.

Oder nimmt man die Sichtweise des Kulturanthropologen ein, der sich vermutlich eher für die Bloggosphäre und deren soziales Gebilde und Kommunikationsstrategien interessiert, Teenieblogs inbegriffen? Dann wären Blogs ein peripher auch literarisches Phänomen, vor allem aber ein Soziotop, ein öffentlicher Gesprächsraum.

Da fällt mir als erstes die Frage ein: wann ist ein Blog literarisch? Was unterscheidet literarische Blogs von nichtliterarischen Blogs?

Am meisten zieht für mich Andreas Haupteinwand, dass ein Blog im Gegensatz zu einem Buch nie fertig ist. Ein Blog entwickelt sich ja weiter, zusammen mit seinem/seinen Verfasser(n). Würde man es also mit einem Etikett versehen (egal ob das "Popliteratur" wäre oder sonst etwas) dann würde man es für immer in eine Schublade stecken, obwohl man ja heute noch gar nicht beurteilen kann, wie das Blog in zwei, drei Jahren aussehen wird (inhaltlich, nicht optisch - Literaturwissenschaft untersucht primär den Inhalt eines Werkes, weniger das Layout).

Man mag einwenden, dass es auch in der Literatur verschiedene Versionen von Büchern gibt. Mir ist z.B. bei Tolkien bekannt, dass er seinen "Herrn der Ringe" für die zweite Auflage stellenweise überarbeitete, nachdem ihn Leser auf ein paar kleinere Fehler hingewiesen hatten. Ebenso schrieb er Teile des "Hobbits" neu, nachdem mehrere Leser festgestellt hatten, dass es in bezug auf die Beschreibung Gollums und des Ringes im "Hobbit" und im "Herrn der Ringe" gewisse Unstimmigkeiten gab. Aber diese Überarbeitung hat nichts an der literaturwissenschaftlichen Einstufung des "Herrn der Ringe" und des "Hobbits" geändert.

Ein Blog dagegen kann sich inhaltlich in zwei, drei Jahren komplett verschieben, neue Schwerpunkte bekommen etc., so dass eine heute getroffene Kategorisierung eines Blogs bestenfalls heute Bestand haben kann.