4.11.03

Beweist Umfrage Antisemitismus?

Telepolis berichtet heute von einer Umfrage, die im Auftrag der EU durchgeführt wurde. U.a. konnte man dabei aus einer Liste von 15 Ländern eins oder mehrere auswählen, das dem eigenen Empfinden nach den Weltfrieden gefährdet. Das Ergebnis: 59 Prozent der befragten EU-Bürger betrachten offenbar Israel als das Land, das den Weltfrieden am meisten gefährdet. Nur 37 Prozent sprachen sich dagegen aus. [...] Nach Israel kommen der Iran, Nordkorea und die USA mit jeweils 53 Prozent. Gefolgt vom Irak, von Afghanistan und Pakistan. Für Syrien, Libyen oder Saudi-Arabien entschieden sich jeweils ein Drittel der Befragten. Für die EU selbst 8 Prozent.

In Israel hat dieses Umfrage-Ergebnis Besorgnis ausgelöst und wurde als Anzeichen für Antisemitismus interpretiert.

Ist es das wirklich? Dazu müßte man die Motive der befragten Bürger kennen. Angesichts der sehr allgemein gehaltenen Fragestellung ist das so gut wie unmöglich. Natürlich könnte es sein, dass der eine oder andere aus antisemitischen Gefühlen heraus sich für Israel entschieden hat. Genausogut aber könnte die Antwort als Kritik an der offiziellen Beton- und Vergeltungs-Politik der israelischen Regierung verstanden werden. Oder die Ursache könnte darin liegen, dass der israelisch-palästinensische Konflikt als Bedrohung für den Weltfrieden empfunden wird. Mit anderen Worten: aus dieser Umfrage kann man eben keinen Antisemitismus ablesen.

Ich will nicht bestreiten, dass es gerade in unserer Gesellschaft noch einiges an Antisemitismus gibt (siehe etwa den Eintrag unten über M. Hohmann und seine "Tätervolk-Rede"). Aber gerade deswegen ist es wichtig, den Antisemitismus-Vorwurf nur dort zu gebrauchen, wo er gerechtfertigt ist. Denn ansonsten wird es irgendwann soweit kommen, dass alle (!) Antisemitismus-Proteste von der Öffentlichkeit ignoriert werden (auch die, die gerechtfertigt sind!). Und das wäre das schlimmste, was passieren könnte.