22.7.09

Wider die Sachzwang-Logik

Anläßlich des 40jährigen Jubiläums der ersten Mondlandung kommen immer wieder kritische Stimmen zu Wort, die die bemannte Raumfahrt an sich in Frage stellen. Ein in diesem Zusammenhang immer wieder geäußertes Argument: wir hätten so viele Probleme auf der Erde, die müßten wir zuerst lösen.

Wolfgang Stieler hat im Technology Review-Blog eine gute Antwort auf solche Argumente gefunden (Hervorhebung von mir):
Ja ja, ich kenne das Argument. Niels Boeing hat es in seinem Blog-Eintrag Mission to Earth einmal mehr vorgebracht: Die Menschheit habe wahrhaftig genug Probleme auf der Erde zu lösen -- die Pläne für eine neue Mond-Mission seien somit eigentlich überflüssig wie ein Kropf.

Natürlich hat er recht: So lange in reichen Ländern wie den USA im Winter Menschen auf der Straße erfrieren, so lange täglich weltweit Kinder verhungern und die Führungselite dieser Welt Jahre braucht, um sich darauf zu einigen, die Realität des Klimawandels anzuerkennen, um dann fröhlich so weiter zu machen, wie bisher, bleibt wahrhaftig genug zu tun.

Aber die gnadenlose Ökonomie von Buchhalterseelen hat mir schon immer kalte Schauer den Rücken herunter gejagt, und dafür gesorgt, dass sich mir die Nackenhaare aufstellen. Ich habe Jahrzehnte meines Lebens damit verbracht, wider die Sachzwanglogik zu streiten, und werde nun nicht damit auhören. Denn die Lomborg-Logik, die auch hinter der Ablehnung bemannter Raumfahrt steckt, ist falsch. Wie viele Ressourcen die Menschheit in die Lösung welcher Probleme stecken will, ist letzendlich eine rein politische, und keine ökonomische Frage -- Geld ist vorhanden, man muss es sich nur nehmen.
Bjørn Lomborg steht in diesem Zusammenhang für jemand, der alles unter dem Aspekt der Ökonomie betrachtet. Natürlich kann man in der Politik die Wirtschaft nicht außer acht lassen - aber Ökonomie ist nicht alles, und vor allem ist sie nicht das allein selig machende.

Vor etwa zwei Jahren diskutierte ich einmal im Freundeskreis, ob die Wiedervereinigung Deutschlands mehr Vorteile oder mehr Nachteile gebracht hätte. Mein Gegenüber argumentierte vor allem ökonomisch: die neuen Bundesländer würden Geld kosten etc. Ich dagegen fand viele positive Aspekte der Wiedervereinigung. Ohne sie hätte ich einige Menschen, die mir was bedeuten, nie kennengelernt, ich hätte nie Städte wie Leipzig und Potsdam gesehen, oder die Sächsische Schweiz bewundert. Außerdem gäbe es ohne die Wiedervereinigung Bands wie In Extremo, Subway to Sally und auch - da werden sich jetzt ein paar Blogleser aufregen, aber egal :) - Rammstein nicht - alles Bands, die mir einmalige Konzerterlebnisse beschert haben. Am Rande dazu kommen noch Leckereien wie Halloren-Kugeln, Spreewaldgurken oder Köstritzer Bier, die ich ohne Wiedervereinigung nie kennengelernt hätte. All das sind Aspekte, die mit Wirtschaft nichts zu tun haben, die für mich aber trotzdem eine Art "Nutzen der Wiedervereinigung" darstellen. Dieses Beispiel zeigt meiner Ansicht nach gut auf, dass eine rein ökonomische Sicht der Welt zu kurz greift.

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