20.4.04

Allgemeinwohl?

In einem Beitrag, der gerade auf Phönix kam, ging es um das Thema "Enteignungen". Die genannten Fälle machen nachdenklich.

Laut Grundgesetz Artikel 14 ist das Eigentum geschützt; Enteignungen sind nur für das Allgemeinwohl zulässig. Der Begriff "Allgemeinwohl" wurde jedoch immer mehr ausgeweitet. Beispiel Leinfelden auf den Fildern: hier möchte die Messegesellschaft Stuttgart in der Nähe des Flughafens eine neue Messe bauen, weil die alte (in der Stadt gelegen) zu klein ist und sich "nicht mehr lohnt". Die neue Messe ist aber geplant auf Grundstücken, die zu den besten Ackerböden weit und breit gehören. Daher wollen die meisten Grundstückseigentümer ihre Äcker nicht verkaufen.

Um die Grundstückseigentümer zum Verkauf zwingen zu können, hat das Land Baden-Württemberg ein spezielles Gesetz erlassen, das Enteignungen zum Zwecke des Baus der Messe ermöglicht. Die normalen Gesetze des Landes würden dazu nicht ausreichen. In ersten Schreiben an die Grundstückseigentümer hat die Messegesellschaft bereits angekündigt, im Falle eines Nichtverkaufs von dem Gesetz Gebrauch zu machen.

Ich finde es sehr bedenklich, dass hier offenkundig zur Beurteilung des Allgemeinwohls betriebswirtschaftliche Erwägungen einer privaten Firma (der Messegesellschaft) herangezogen werden. Dadurch wird der Begriff des Allgemeinwohls meines Erachtens überstrapaziert, das Grundgesetz (dessen Artikel 14 das Eigentum einerseits schützt, andererseits auf den Gebrauch des Eigentums zum Wohle der Allgemeinheit verpflichtet) letzten Endes ausgehöhlt. Ich sehe ein, dass manchmal Enteignungen notwendig sind, um z.B. dringend benötigte Verkehrsverbindungen (seien es Straßen oder Bahnlinien) bauen zu können (wobei es immer auf den Einzelfall ankommt). Aber im Fall der Messe kann ich ein solches Allgemeinwohl nicht erkennen.

Die betroffenen Grundstückseigentümer in Leinfelden haben sich zusammengetan, um durch alle Instanzen klagen zu können, notfalls bis vors BVG. Ich wünsche ihnen auf diesem Klageweg viel Glück. Es wird höchste Zeit, den Begriff "Allgemeinwohl" durch ein BVG-Urteil zu klären. Ansonsten droht eine Ausweitung des "Allgemeinwohls" und eine Flut von Sondergesetzen, bei denen die Bürger und die Natur auf der Strecke bleiben.