12.4.05

Von der Freiheit eines Musikers

Vorhin beim Abendessen habe ich mir ein paar Gedanken gemacht über die Situation eines Musikers in der heutigen Gesellschaft, genauer gesagt: wann er die meisten Freiheiten hat. Die Überlegungen gelten übrigens gleichermaßen für Bands.

Komplett unbekannte Musiker, die ihre CDs mit Müh und Not im eigenen kleinen Studio selbst produzieren, haben noch relativ viele Freiheiten; sie können aufnehmen, was ihnen technisch möglich ist (sofern sie nicht gegen Gesetze verstoßen). Allerdings geht es den meisten von ihnen finanziell nicht so toll (die EAV umschrieb das mal plastisch mit den Worten "Lange Jahre ohne Hit, die Combo nagt am Fensterkitt").

Sobald aber ein Musiker bekannt geworden ist, gilt das nicht mehr. Im Normalfall ist er dann bei einem Label unter Vertrag, das ihm seine Studioaufnahmen vorfinanziert. Das hat gleichzeitig zur Folge, dass im allgemeinen das Label für einen Produzenten bei den Aufnahmen sorgt, und vieles andere mehr. In der Folge muss der Musiker Kompromisse eingehen. Das bedeutet, dass sich zwar vom technischen her seine Freiheiten vergrößern (weil ein professionelles Studio technisch mehr bietet als ein Heimstudio), dass diese Freiheit aber durch Label und/oder Produzenten wiederum eingeschränkt wird, da Label und Produzent auf die Vermarktung achten. Das Ergebnis ist paradoxerweise meist weniger Freiheit als vorher. Das schwierigste Album im Leben eines Musikers ist übrigens das, das er direkt nach dem Bekanntwerden veröffentlicht, weil Druck seitens des Labels dazukommt, der vorher so nicht da war. Daher scheitern viele Bands z.B. am zweiten Album.

Entkommen kann man diesem Druck nur durch eine "Flucht nach vorne". Das bedeutet, möglichst viel Erfolg zu haben. Je mehr Platten ein Musiker absetzt, je mehr Anerkennung er bei Kritikern und Publikum erntet, umso mehr kann er die Bedingungen festlegen.

Das extreme Ende ist dann erreicht, wenn der Musiker eine "lebende Legende" wird oder gar Werke von musikhistorischer Bedeutung erschaffen hat. Ein Beispiel für einen solchen Musiker wäre Paul McCartney, der bereits in den Sechziger Jahren des vorherigen Jahrhunderts mit den Beatles über alle Maßen erfolgreich war. Jemand wie Paul McCartney hat völlige Freiheit. Er kann sich jedes Tonstudio der Welt mieten (oder selbst eins in die Villa einbauen oder einbauen lassen) und sich jeden Produzenten aussuchen - so er einen Produzenten will. Keine Plattenfirma der Welt kann ihm dreinreden, da er längst seine eigene Plattenfirma besitzt. Im Prinzip ähnelt das dem Zustand zu Beginn der Musikerkarriere, nur auf einem höheren finanziellen Niveau. Der "Gewinn" einer Musikerkarriere liegt also eher im finanziellen als im künstlerischen Bereich (und im Ruhm, falls es jemandem darauf ankommt).

Aber bis zur "lebenden Legende" schaffen es nur wenige Musiker, und der Weg dorthin ist lang und hart.

4 Kommentare:

Anonymous Marc meinte...

Hat etwas von der (brechtschen) Geschichte mit dem Fischer der am Meer sitzt und die untergehende Sonne betrachtet, als ein Geschäftsmann an ihn herantritt.

2:59 PM  
Blogger *V.K.* meinte...

Stimmt - wobei bei Brecht die Aussage drinsteckt "Die ganze Schufterei lohnt sich letzten Endes nicht", während ich zwei durchaus plausible Motivationen angebe: Ruhm und Geld. Brechts Geschichte beschreibt einen Kreis, während es sich bei mir eher um eine Spirale handelt.

3:30 PM  
Blogger rollinger meinte...

Hm jeder von uns batselt doch irgendwie etwas. Ich fotografiere und rendere und stelle dasauch aus. Wie viele andere auch. Oft sehe ich von Privatleuten Fotos, wo ich denke man, sowas geiles sah ich noch nie in der Werbung oder so.

Jetzt die Frage :"Warum meint jeder, der Musik macht, er müsse damit Geld verdienen?" Kann er nicht einfach nur Musik machen, um Musik zu machen? Was soll das eigentlich immer mit dieser Fixierung und irgendwie auch "Wichtigtuerei" nachd em Motto, "erst wer geld verdient hat ist auch gut".

Wir alle wissen, daß das nicht stimmt.

Aber das ist der Beginn der Misere. Das ist der Anfang vom Ende und der Anfang für" Klingelton für nur 4.99 "Euro

Das ist meine kleine Meinung

1:38 PM  
Blogger *V.K.* meinte...

Im Musikbereich ist mir das Problem bisher nicht aufgefallen. Ich kenne genug Leute, die Musik als Hobby in ihrer Freizeit betreiben. Und die Denkweise "erst wenn man Geld verdient, ist es richtig gut" ist mir bisher selten untergekommen. In der Independent-Szene, mit der ich mich meistens beschäftige, galt in den Neunziger Jahren sogar eher das Gegenteil: sobald eine Band anfing, mit ihren Platten Geld zu verdienen, kam sofort der "Kommerz!"-Vorwurf. Inzwischen hat sich das gebessert.

Schlimmer ist meiner Ansicht nach, dass haufenweise promintente Nicht-Musiker (z.B. Schauspieler) glauben, sie müßten auch Musik machen, obwohl sie etwa so musikalisch sind wie ein Pantoffeltierchen.

9:11 AM  

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