20.8.08

Bizarre Gesetzgebung

Im heutigen (nein, im gestrigen ;) ) Darmstädter Echo war auf Seite 32 ein Bericht darüber, dass ein geplantes Konzert von Avril Lavigne in Malaysia bei der dortigen islamischen Opposition auf massive Kritik stieß; ihre Bühnenshow sei "zu sexy". Nun bin ich wirklich kein Fan der kanadischen Sängerin, aber ihre Bühnenshow, soweit ich sie im Fernsehen mal gesehen habe, machte auf mich nicht den Eindruck, dass sie besonders gewagt sei. Insofern runzelte ich schon mal die Stirn.

Weiter hinten aber wurden dann die Einschränkungen genannt, die in Malaysia für Konzerte gelten. So dürfen die Künstler keine Kleidung mit "Drogenbezug" oder "obszönen Botschaften" tragen, außerdem muss die Haut von der Brust bis zu den Knien bedeckt sein. Das alles mag noch angehen, wobei man sich streiten kann, wo die Obszönität bzw. der Drogenbezug anfängt. Aber die Vorschriften gehen noch weiter: Künstler dürfen während des Konzerts nicht schreien, hüpfen, andere Menschen umarmen oder küssen. Spätestens hier wird es bizarr und grotesk. Meiner Ansicht nach sind unter den genannten Bedingungen Rockkonzerte fast undurchführbar. Anstelle von Avril Lavigne würde ich auf den Auftritt verzichten.

Abgesehen davon frage ich mich, wer sich solche Gesetze ausdenkt. Meiner Ansicht nach müssen das irgendwelche fundamentalistisch-fanatischen Spaßbremsen sein. Will Malaysia am Ende dem Iran Konkurrenz machen?

EDIT: Inzwischen hat das Kultusministerium von Malaysia entschieden, dass das Konzert nicht zur Kultur des Landes passt, und mit dieser Begründung das Konzert untersagt.

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3 Kommentare:

Anonymous MartinM meinte...

Zweiter Iran? Eher nicht. Ich vermute, es ist ein Anfall vom "guten, alten" Puritanismus mit seinen Reinheitsvorstellungen, dessen Wurzeln sowohl in der Tradition der einstigen und langjährigen Kononialmacht Großbritannien, wie in der streng konfuzianischen Auffassung der das Wirtschaftsleben prägenden chinesischen Minderheit wie einem in "Moralfragen" engherzig ausgelegtem (aber nicht notwendigerweise fundamentalistischen) Islam liegen.
Auch das benachbarte Singapur ist von diesem puritanischem Geist geprägt, was man z. B. an absurd hohen Strafen für geringfügige Vergehen erkennen kann.
Die herrschende Schicht in beiden Ländern ist einerseits prüde, hat anderseits aber auch (berechtigterweise) Angst vor Veränderungen. Beides zusammen ist die Grundlage dieses Puritanismus, in Falle Malaysias kommt der Islam als "Sahnehaube" obendrauf (es könnte ebenso gut eine christliche oder einen konfuzianische Sahnehaube sein).

10:44 AM  
Anonymous Nyarla meinte...

Es ist immer einfach, über eine Kultur nach den eigenen Maßstäben zu urteilen.

In den USA lacht man sich wahrscheinlich über unsere bizarren Waffengesetze scheckig, in Österreich über unsere noch viel bizarreren Zensurregeln, was Filme und Videospiele angeht.

4:27 PM  
Blogger *V.K.* meinte...

@Martin: ich denke ähnlich wie du: Puritanismus ist bekloppt, egal, ob er ideologisch auf Christentum, Islam, Konfuzianismus oder was auch immer basiert. Sollte Malaysias Hüpfverbot wirklich auf viktorianischen Traditionen basieren, so hätten sie das Vorbild damit übertroffen. Zumindest ist mir nicht bekannt, dass in Großbritannien jemals Hüpfen, Schreien und Umarmen auf der Bühne verboten war.
Mit der panischen Angst vor Veränderungen hast du sicher recht.

@Nyarla: meine Reaktion auf diese Gesetze ist deswegen so extrem ausgefallen, weil ich mich für eine weitgehende (nicht totale) Freiheit der Kunst einsetze. Da ist Malaysia (wie auch Singapur) das Gegenteil davon.
Auch in Deutschland gibt es bizarre Gesetze, und ich kann mich erinnern, sie mehr als einmal in diesem Weblog kritisiert zu haben. Insofern dürfen Amerikaner und Österreicher - und auch Malaysier - gerne über deutsche Gesetze lachen. In einigen Fällen lache ich gerne mit.

10:29 PM  

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